Was bedeutet uns Gesundheit wirklich? Ein Besuch im Stapferhaus
Ein Besuch in der Ausstellung «Hauptsache gesund» im Stapferhaus Lenzburg – und ein persönlicher Blick darauf, wie sich unsere Vorstellung von Gesundheit verändert.
Gesundheit – ein Begriff mit vielen Bedeutungen
Gesundheit ist allgegenwärtig – und doch verstehen wir alle etwas anderes darunter. Für die einen bedeutet sie Fitness, für andere innere Ruhe, mentale Balance oder schlicht die Abwesenheit von Krankheit.
Vor zwei Tagen erzählte mir mein Vater von der interaktiven Ausstellung «Hauptsache gesund» im Stapferhaus in Lenzburg – und heute, an einem ganz gewöhnlichen Donnerstag, machte ich mich mit meinem Bruder auf den Weg dorthin.
Denn was heisst Gesundheit eigentlich – in der Schweiz, in unserem System, und in unserem persönlichen Alltag? Wie sieht Gesundheit aus, wenn man krank ist? Und was passiert, wenn das, was wir als selbstverständlich betrachten, plötzlich verloren geht?
Ein Raum voller Stimmen
Während der Einführung, bei der die Frage «Wie geht es dir?» im Zentrum steht, kreuzen wir eine Schulklasse – vielleicht erste oder zweite Oberstufe. Als wir vorbeigehen, höre ich, wie sie darüber diskutieren, ob die Frage auf den Körper oder die Psyche bezogen ist. Und ich kann nicht anders, als mich selbst zu fragen: Haben wir uns solche Gedanken überhaupt gemacht, als ich in diesem Alter war?
In diesem Moment wird mir bewusst, wie viel sich seither verändert hat – nicht nur wissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Die Bestätigung folgt im nächsten Raum: An den Wänden hängen Krankheitsbilder von nah und fern. Ich setze mich auf einen Hocker, halte mir den Lautsprecher ans Ohr und höre zu.

Da ist ein Mann, alkoholkrank, der jahrelang weitergearbeitet hat – mal konzentrierter, mal weniger – bis er merkt, so geht es nicht mehr weiter, und sich Hilfe holt. Eine junge Frau, die mit einer Angststörung lebt und eines Tages gemerkt hat, dass sie es nicht alleine schaffen muss. Eine andere, mit ADHS, für die die Diagnose eine Erlösung war – endlich zu wissen, was mit einem los ist. Eine gehörlose Person, die regelmässig einen Nachweis erbringen muss, obwohl sie seit ihrer Geburt gehörlos ist. Jemand mit Long Covid, die auf eine Therapie und eine bessere Zukunft hofft.
Ihre Geschichten zeigen, wie das Leben mit Krankheit zu einem ständigen Prozess der Neudefinition wird: Wer bin ich mit dieser Diagnose – und wie gehe ich weiter? Egal, ob mental oder physisch krank – was man bei allen Betroffenen hört, ist der Wunsch, sich weniger erklären zu müssen, vielleicht auch mal bestärkt zu werden und trotz Krankheit ihren Platz in der Gesellschaft zu haben.
Zwischen Gesundheitsmarkt und stillen Geschichten

In der ganzen Ausstellung finden sich auch Angebote für Kinder – sie können Plüschtiere diagnostizieren und so auf spielerische Weise mit den Grossen mitmachen.
Als sich die Lifttür im zweiten Stock öffnet, stehen wir plötzlich im «Gesundheitsmarkt» – geprägt von einer Vielfalt an Angeboten: Schulmedizin, alternative Heilmethoden, Operations- und Intensivmedizin, aber auch Sport und Wellness. Vieles ist interaktiv, und an mehreren Stationen erzählen Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, von ihrem Alltag.
Einige haben diesen Beruf bewusst gewählt, andere sind durch das Schicksal eines erkrankten Familienmitglieds in die Pflegerolle hineingewachsen. Während wir den Stimmen von Pflegepersonal aus dem Kinderspital, der Spitex oder privaten Einrichtungen lauschen, wird mir bewusst, wie sehr wir in einer Gesellschaft leben, in der Gesundheit gefeiert wird – während sich Krankheit oft ganz leise abspielt. Vielleicht, weil wir uns nicht mit Krankheit umgeben wollen. Weil wir selbst so sehr auf Gesundheit fixiert sind.
„Das Land der Kranken liegt im Privaten, das Land der Gesunden im Öffentlichen.“
Am Ende steht das Leben selbst
Am Ende der Ausstellung wird einem bewusst: Ganz gleich, wie gesund wir leben oder welchen Lebensstil wir pflegen – niemand kommt unversehrt durchs Leben. Aber genau das ist vielleicht der Punkt.
Man steht plötzlich in einem hellen Raum, fast wie in einem Himmel. Es geht um das Ende, um den Tod – und darum, dass er ebenso Teil des Lebens ist wie Gesundheit und Krankheit. Dieser Moment fühlt sich ruhig an, fast versöhnlich. Vielleicht, weil man spürt, dass Gesundheit nicht nur im Körper liegt, sondern auch darin, wie wir mit Vergänglichkeit umgehen.
Ein Moment der Reflexion
Vielleicht liegt wahre Gesundheit nicht im Streben nach einem perfekten Körper oder einem makellosen Leben, sondern im bewussten Umgang mit all dem, was uns begegnet – auch mit dem, was weh tut oder uns Grenzen zeigt.
Gesundheit bedeutet, in Verbindung zu bleiben – mit sich selbst, mit anderen, mit dem eigenen Körper. Sich zuzuhören, bevor etwas laut wird. Und kleine Momente der Fürsorge zu finden, mitten im Alltag.
Denn am Ende geht es nicht darum, ewig gesund zu bleiben, sondern darum, bewusst zu leben.
Mehr Informationen
Hauptsache gesund. Eine Ausstellung mit Nebenwirkungen
Ein interaktiver Parcours im Stapferhaus Lenzburg, stimmungsaufhellend, rezeptfrei und ohne Überweisung.
Verlängert bis 28. Juni 2026
🎧 Podcast zur Ausstellung: Hauptsache gesund
📰 Lesetipp: Visionen für das Gesundheitssystem
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 9 – 17 Uhr
Mehr Informationen: stapferhaus.ch/hauptsachegesund
Bildquellen: Stapferhaus / © Anita Affentranger